Taubheit beim Hund – wenn die Welt im Alter leiser wird
- Biana Clemens
- vor 1 Tag
- 5 Min. Lesezeit
Manche Hunde werden taub geboren. Wer sich bewusst für einen tauben Hund entscheidet, hat sich in der Regel schon vorher Gedanken gemacht, wie die Kommunikation funktionieren kann – meist mithilfe von Sichtzeichen, Körpersprache und klaren Abläufen.
Aber was ist, wenn die Taubheit nicht von Anfang an da ist? Was passiert, wenn dein Hund im Alter sein Gehör verliert oder durch einen Unfall oder eine Krankheit plötzlich nichts mehr hört? Diese Veränderungen kommen oft schleichend – und sie fordern nicht nur den Hund, sondern auch uns Menschen heraus.

Meine persönliche Erfahrung
Anfang Januar musste meine Hündin Diva am Auge operiert werden. Sie hatte einen Tumor am Lidrand – zum Glück nichts Bösartiges. Da die Operation ohnehin unter Vollnarkose stattfinden musste, habe ich die Gelegenheit genutzt, um ihr rechtes Ohr gründlich reinigen zu lassen. Es war ziemlich verschmutzt und begann schon leicht unangenehm zu riechen.
Die Operation verlief gut und Diva ist auch problemlos aus der Narkose aufgewacht – mit fast 13 Jahren war das ehrlich gesagt meine größte Sorge.
In den ersten Tagen danach schien alles normal. Doch mir fiel auf, dass Diva deutlich tiefer schlief als sonst und weniger auf Umweltgeräusche reagierte.Zunächst dachte ich, das läge noch an der Narkose – ältere Hunde brauchen ja oft etwas länger, um sich vollständig davon zu erholen. Als sie aber selbst auf das Klingeln an der Haustür oder das Klappern ihres Futternapfes nicht mehr reagierte, wurde mir ziemlich schnell klar: Diva hört nichts mehr.
Ich habe mich dann intensiv eingelesen und Rücksprache mit unserem Tierarzt gehalten. Das Medikament, das bei der Ohrenreinigung eingesetzt wurde (Osurnia), kann als seltene Nebenwirkung bei älteren Hunden eine vorübergehende Taubheit auslösen. Was mich jedoch stutzig machte: Es wurde nur ein Ohr behandelt – theoretisch hätte sie auf dem anderen noch hören müssen. Vielleicht war ihr Gehör dort aber schon vorher stark eingeschränkt, ohne dass ich es bemerkt hatte?
Eine weitere mögliche Ursache ist die Narkose selbst. Gerade bei älteren Hunden kann sie empfindliche Bereiche wie das Gehirn oder das Gehör belasten und so eine Verschlechterung hervorrufen. Der Tierarzt meinte auch, dass eine Narkose in diesem Alter manchmal einen Demenzschub oder ähnliche Veränderungen auslösen kann. Vermutlich war Divas Gehör ohnehin schon etwas angegriffen – und die Narkose hat das Ganze einfach beschleunigt.
Ich sollte die Hoffnung nicht aufgeben und erstmal abwarten. Heute, vier Monate nach der Operation, ist klar: Ihr Hörvermögen ist leider nicht mehr vollständig zurückgekommen. Laute Geräusche wie Klatschen oder Rufen nimmt sie zwar wahr, kann aber oft nicht genau orten, woher sie kommen. Die Türklingel oder das Klappern ihres Futternapfes bleiben für sie stumm. Auch ihr Schlaf ist deutlich tiefer und fester als früher.
Als ich realisiert habe, dass Diva wohl länger – vielleicht für immer – taub bleiben würde, stand schnell die nächste Frage im Raum:
Wie kommunizieren wir jetzt miteinander?
Zum Glück hatte ich von Anfang an alle Kommandos nicht nur verbal, sondern auch mit Handzeichen aufgebaut. Deshalb klappt unsere Verständigung nach wie vor prima. Wir üben weiterhin gemeinsam Tricks, gehen spazieren, und sie orientiert sich sehr gut an mir - sogar mehr als vorher.
Da Diva sowieso immer an der Leine geblieben ist, hat sich daran nichts geändert.
Wenn ich heute möchte, dass sie zu mir kommt oder auf etwas reagiert, muss ich einfach näher zu ihr gehen, sie leicht berühren oder irgendwie auf mich aufmerksam machen. Aber ehrlich: Das ist keine große Einschränkung für uns.
Und – mit einem kleinen Augenzwinkern – es gibt tatsächlich auch Vorteile:
Pöbelnde Hunde, die früher Diva manchmal provoziert haben, werden heute einfach "überhört". Wenn es an der Tür klingelt, bleibt die Wohnung ruhig – kein wildes Bellen mehr. Laute Motorräder oder LKWs, die sie früher "fangen" wollte, werden nun ignoriert. Und sogar der Staubsauger wird inzwischen völlig gelassen zur Kenntnis genommen.
Manchmal muss man einfach bewusst die positiven Seiten hervorheben. Und ich kann sagen: Auch wenn Diva nicht mehr alles hört – wir hören trotzdem weiterhin wunderbar aufeinander.
Woran merke ich, dass mein Hund schlechter hört?
Vielleicht reagiert dein Hund plötzlich nicht mehr auf sein Lieblingswort, sein Name bleibt unbeachtet oder er verschläft, dass du die Leine in die Hand nimmst. Vielleicht erschrickt er schneller, wenn du dich ihm näherst, weil er dich schlichtweg nicht mehr wahrnimmt.
Solche Anzeichen sind oft erste Hinweise darauf, dass das Hörvermögen nachlässt – und es ist ganz wichtig, das nicht als "Sturheit" oder "Ungehorsam" abzutun. Dein Hund ist nicht bockig, er nimmt dich einfach anders oder gar nicht mehr wahr. Für mich war es ein eindeutiges Zeichen, dass Diva nicht mehr hört, als sie nicht mehr reagierte, wenn das Futter im Napf klapperte und sie nicht sofort neben mir in der Küche stand. Das hatte nichts mehr mit Altersstarrsinn zu tun.
Was kann ich tun, um die Kommunikation zu erleichtern?
Am besten ist es natürlich, wenn man frühzeitig nicht nur auf verbale Kommandos setzt, sondern diese direkt mit Handzeichen verbindet. Viele Hunde lernen unglaublich schnell, Körpersprache zu lesen – sie sind wahre Meister darin. Und wenn sie Handzeichen von klein auf kennen, fällt die Umstellung später deutlich leichter.
Wenn du jetzt merkst, dass dein Hund schlechter hört, kannst du folgende Dinge unterstützend tun:
Handzeichen etablieren: Verknüpfe vertraute Kommandos (wie „Sitz“, „Platz“, „Komm“) mit klaren, sichtbaren Gesten. Wiederhole die Verbindung eine Zeitlang, bis dein Hund sicher auf die Handzeichen reagiert. Und glaub mir, auch der älteste Hund kann noch dazulernen!
Blickkontakt fördern: Belohne bewusst, wenn dein Hund Blickkontakt aufnimmt. Gerade taube Hunde orientieren sich stark an deinem Gesichtsausdruck und an kleinsten Bewegungen.
Vibration statt Stimme: Leichte Bodenerschütterungen (z. B. durch sanftes Stampfen) können helfen, die Aufmerksamkeit deines Hundes zu gewinnen, ohne ihn zu erschrecken.
Rituale nutzen: Feste Abläufe geben Sicherheit – zum Beispiel ein bestimmter Ablauf beim Spazierengehen oder eine feste Reihenfolge bei der Fütterung.
Sicherheit geht vor
Wenn dein Hund draußen unterwegs ist, solltest du ihn in unsicheren oder stark befahrenen Gegenden immer angeleint lassen. Ein tauber Hund kann Gefahren schlichtweg nicht hören – weder ein herannahendes Fahrrad noch ein Auto.
Ich persönlich würde meinen Hund aber auch in sicherem Gelände nicht mehr ableinen. Du kannst stattdessen eine Schleppleine verwenden, um ihm Bewegungsfreiheit zu schenken, ohne dass du die Kontrolle verlierst.
Auch ein gut sichtbares Halsband oder Geschirr mit Hinweis („Ich bin taub“) kann sinnvoll sein – gerade wenn andere Menschen oder Hundehalter auf euch treffen.
Geduld und Einfühlungsvermögen
Für taube Hunde verändert sich die Welt - noch mehr als für uns.. Sie erleben ihre Umwelt anders – leiser, intensiver über andere Sinne. Deshalb brauchen sie oft ein bisschen mehr Orientierung und vor allem einfühlsame Begleitung.
Deine Ruhe, deine Mimik, deine Gesten werden zur wichtigsten Brücke zwischen euch. Und ja, manchmal bedeutet es auch, dass wir uns neu orientieren und alte Muster umdenken müssen. Aber auch du wirst mit deinem Hund einen Weg finden, wie ihr wieder zueinander findet.
Diva und ich sind der beste Beweis dafür: Auch wenn nicht mehr alles so ist wie früher, ist unser Miteinander lebendig, liebevoll und stark geblieben.
Fazit: Taubheit beim Hund
Wenn dein Hund plötzlich taub wird, verändert sich eure Kommunikation – und klar, das verlangt euch beiden ein bisschen Umstellung ab.
Aber: Es ist absolut machbar. Mit Geduld, Kreativität und liebevoller Konsequenz wachst ihr noch enger zusammen. Manchmal ist es genau diese Herausforderung, die die Bindung zwischen Mensch und Hund sogar noch stärker und besonderer macht.
Hast du einen Hund, der im Alter taub geworden ist? Oder vielleicht gerade die ersten Anzeichen bemerkt? Schreib mir gern – ich freue mich auf den Austausch mit dir!
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